Samstag, 23. August 2014

Nein. Das tut man nicht.


Nein, man geht in der Schweiz nicht einfach so an den Bartresen und bestellt locker-flockig einen Cappuccino. Auch im angesagten Trendquartier von Zürich nicht. Im Kreis 3, am Idaplatz. Nein, tut man nicht. Da wird einem nämlich säuerlich und mit Unterton mitgeteilt, dass die Bedienung am Tisch erfolgt. Ok, ok, habe verstanden. Sorry für diesen groben Fehler. Danke für die Belehrung. Bin wieder in der Schweiz. Softwareprogramm auswechseln. Das Problem ist nur: Es fällt mir von Mal zu Mal schwerer.

Mittwoch, 13. August 2014

Sommer-WG am Meer


Sieben Frauen und drei Kinder in einem Haus am Meer. Der Kühlschrank ist gross. Das Chaos in der Küche könnte grösser sein. Sofern wir richtig kochen würden. Aber das tun wir nicht. Keine von uns gehört der Kategorie italienische Mamma an. Jede verfolgt weiterhin ihre ganz individuellen Essgewohnheiten. Da wird eine Woche lang Joghurt mit Akazienhonig gegessen, andere gehen wie immer zum Takeaway, die Kinder werden mit frisch gekochter Pasta versorgt und ich habe in einem Laden leckere italienische Bio-Gemüsesäfte entdeckt.
Nach einer Woche hat die Sommer-WG am Meer andere Formen angenommen. Ein paar sind abgereist, die Joghurt-Diät wurde erfolgreich beendet, die Gemüsesäfte sind alle durchgetestet. Was nun?
Mittlerweile hat aber zum Glück ein mit Hingabe kochender italienischer Mann die Küche in Beschlag genommen. Matteo heisst er. Er hat sich mit unzähligen Kistchen und Tütchen voller Früchte, Gemüse und Fisch hier einquartiert. Er kocht, wir putzen die Küche. Gemüse und Früchte stammen vom eigenen Garten, der Fisch selbstverständlich vom Fischhändler seines Vertrauens. Matteo kocht schnell, konzentriert und überzeugend. Keine Kapriolen. Dafür authentische, italienische Küche. Gewürzt wird mit Salz, Pfeffer, Olivenöl und Zitrone. Exotische Gewürze wie Kurkuma werden sparsam und nur zum Unterstreichen eingesetzt. Am Tisch lehnt er sich genüsslich zurück. Wartet, bis alle geschöpft haben, lächelt zufrieden in die Runde. Beobachtet uns und sein Werk. Ich glaube fast, damit hat er schon gegessen. Das ist es, was ihn glücklich und satt macht. Grazie Matteo!



Mittwoch, 6. August 2014

Strandcafé





Flugzeuge mit Spruchbändern wie damals, als wir noch Kinder waren, gibt es keine mehr. Vermutlich wegen der schlechten Wirtschaftslage Italiens, die aber auch ihre guten Seiten hat. Die Strände sind nicht überfüllt. Viele Liegestühle bleiben leer. Zu viele, sagen die Einheimischen.
Ich liebe es, am Morgen früh alleine am Strand entlangzulaufen. Nackte Füsse auf dem Sand und im Wasser. Die Stege laden zum Verweilen ein. Den Blick in die Weite schweifen lassen. Die morgendliche Stille einatmen. Zur Belohnung gibt es Cappuccino in einem der vielen Strandcafés. Das von heute früh spielt alte, italienische Songs. Ich kenne die Texte, meine Mutter sang die Lieder beim Putzen. Ich setze mich an einen der weissen Plastiktische. Der Cappuccino ist richtig gut. Die paar wenigen Gäste sind noch ein bisschen verschlafen. Vor mir ein Meer von noch ungeöffneten Sonnenschirmen, dahinter das richtige Meer. Die Sonne brennt. Ich bin happy. Mit diesem Augenblick und mit mir selber. Es fehlt mir an nichts. Diesen Moment will ich zu einem kleinen Paket schnüren, in meinen Koffer legen und immer dann hervorholen, wenn in Zürich die graue Wolkendecke drückt.

Notabene: Ich freue mich immer sehr über Kommentare zu diesem Blog. Nachrichten, die man als Antwort an die Verteilermail-Adresse schickt, kommen nicht bei mir an (no-reply@blogger.com). Feedback und eigene Gedanken zu meinen Posts kann man direkt hier unten auf dem Blog hinterlassen oder an meine Mailadresse rinaldi@cyberlink.ch schicken.

Sonntag, 3. August 2014

Country roads, take me home ...




   
Heute will ich ein bisschen pathetisch sein. Das bin ich immer, wenn ich von der Schweiz nach Italien fahre. Das gehört dazu. Aus dem Zugfenster in den Himmel schauen. Er kommt mir weiter, leichter, freier und verspielter vor, als dort wo ich lebe. Selbst wenn er nicht ganz wolkenfrei ist. Bei meinen Freunden im Veneto ankommen, ist wie nach Hause kommen. Heute Abend müssen sie noch an ein Familientreffen. Ich hätte mitgehen können, ziehe es aber vor, Haus und Hund zu hüten. Der Empfang ist rührend. Ich geniesse die Stille. Den Blick auf die Bäume und in den Abendhimmel. Grillen zirpen. Später am Abend werden wir noch mit Kind und Kegel ans Meer fahren, nach Jesolo. Das Kind wird im Auto einschlafen. Wir werden ankommen und schnell, schnell die Betten beziehen, damit es weiterschlafen kann. Und danach, draussen auf der Terrasse, noch einen Tee trinken und den Wellen des Meeres lauschen.

Freitag, 1. August 2014

1. August

Es gab ein paar wenige Sommer, in denen wir in den langen Ferien nicht nach Italien fuhren. Wir blieben in der Schweiz und feierten den 1. August. Vater holte ein paar Lampions aus dem Keller, Mutter deckte den Tisch auf dem Balkon. Eine Schweizer Fahne wurde in den Basilikumtopf gesteckt. Gleich daneben eine italienische. Das gab Anlass zu Diskussionen. Meine Mutter war dagegen. Sie fand, Italien hätte am Nationalfeiertag der Schweiz nichts zu suchen. Doch mein Vater war da anderer Meinung. Er wollte ein Zeichen setzen. Wollte seiner Gastheimat gegenüber Dankbarkeit zeigen. Dafür, dass man es ihm ermöglicht hatte, sich hier eine Existenz und wirtschaftliche Sicherheit aufzubauen. Er pries die Vorzüge der Schweiz. An diesem Tag dachte man weder über fremdenfeindliche Äusserungen nach, noch an Schwarzenbach und Konsorten.
Die vielen anderen Sommer verbrachten wir in Italien. Meine Mutter packte zwei rote Windlichter mit Schweizer Kreuz in die Ferienkoffer. Der 1. August wurde im Wandkalender eingekreist und bei Anbruch der Dunkelheit durften wir Kinder auf der Veranda die Windlichter anzünden. Kamen an diesem Abend per Zufall unsere italienischen Verwandten vorbei, fragten sie stets, ob jemand gestorben sei. Die roten Windlichter erinnerten sie an Friedhöfe. «Nein, wir feiern den Geburtstag der Schweiz!» rief ich. «Mit Totenlichtern?» fragten sie. Ich ärgerte mich sehr. Damals schon wusste ich, dass ich mich weder dort noch hier jemals richtig daheim fühlen würde. Dafür trug ich aber einen Schatz in mir. Den Schatz, zwei Kulturen zu kennen. Ich kannte und lebte etwas, von dem die Dortgebliebenen keine Ahnung hatten. Das war und ist nach wie vor ein sehr bereicherndes Gefühl.