Eigentlich
wollte ich euch schon vor Tagen erzählen, wie das damals so war. Mit den
italienisch-schweizerischen Weihnachtsfeiern meiner Kindheit. Mit Anisbrötli
und Panettone. Mit den Vorbereitungen, der speziellen Stimmung, dem
Kerzenschein und der ganzen Aufregung vor der Bescherung. Dann aber kam alles
anders. Pünktlich zur Adventszeit haben diverse Animositäten unter uns
Geschwistern dazu geführt, dass ich dieses Jahr Weihnachten alleine verbracht
habe.
Weihnachten,
das Fest der Liebe, das im Kreise der Familie gefeiert wird. Darüber hatte ich jetzt
viel Zeit nachzudenken. Es war alles in allem schon etwas seltsam. So ganz alleine.
Zwischendurch auch ein bisschen traurig und einsam. Obwohl ich mir im letzten
Moment noch frische Tannenzweige besorgt hatte, den Kühlschrank ein wenig mehr
als sonst üblich gefüllt hatte und es mir an guten, noch ungelesenen Büchern
nicht mangelt.
Als
Kind liebte ich es, am Weihnachtsmorgen, wenn alle noch schliefen, im Nachthemd
in die Stube zu schleichen und den Duft des Tannenbaumes einzuatmen, den meine
Eltern am Vorabend heimlich für uns geschmückt hatten. Mich in den roten
Weihnachtskugeln zu spiegeln und nach den Engeln Ausschau zu halten, die meiner
Meinung nach zwischen den Tannenzweigen wohnten. Das Jesuskind interessierte
mich nicht. Es schaute immer so traurig aus. Für uns geboren und für uns
gestorben, erklärten sie mir. Das begriff ich nicht. Und ich mochte auch nicht
in Kirchen geführt werden, um dort lebensgrosse Krippenfiguren zu bestaunen. Ich
hätte viel lieber das Fell eines lebendigen Esels gestreichelt.
Das
Fest der Liebe im Kreis der Familie machte damals, mit meinen Tanten und
Onkeln, Cousins und Cousinen, noch Sinn. Alle zusammen, am grossen, langen Esstisch.
Wir Kinder, separat an einem kleinen Tisch, bekamen an Weihnachten nebst allen
möglichen Süssgetränken auch ein Glas Wasser mit einem Spritzer Wein. Das
Wasser färbte sich rosa und wir fühlten uns erwachsen. Es waren stets fröhliche
Weihnachtsfeiern. Irgendwann wurden sie traurig. Ich kann heute nicht mehr so genau
festmachen, woran das lag. Vielleicht weil jemand aus der gewohnten Runde
starb, ein paar andere wegzogen und vielleicht auch weil sich im Laufe der
Jahre andere Konstellationen ergaben. Freunde, Verlobte und Ehemänner kamen
dazu und gingen wieder. Das machte die Feiern nicht fröhlicher. Im Gegenteil. Und
heute? Wir, die Kernfamilie, sind alle noch da, schaffen es aber nicht, uns an Weihnachten
gemeinsam an einen Tisch zu setzen. Das macht mich traurig. Nicht nur an
Weihnachten.
Im
Grunde genommen würde ich Weihnachten mögen. Sehr sogar. Wenn es wieder so sein
könnte wie damals. An einem langen Tisch, mit vielen verschiedenen Gerichten, roten
Weihnachtskugeln und Engeln, die in Weihnachtsbäumen wohnen. Manchmal stelle
ich es mir vor. Auch im Hochsommer. Dazu brauche ich nur mein kleines
Apothekerglas zu öffnen, das ganzjährig mit frischem Sternanis gefüllt auf
meiner Küchenablage steht. Sternanis duftet nach Weihnachten. Egal, wo ich mich
gerade auf der Welt befinde.