Sonntag, 25. August 2013

Schweizer Milch ist besser

Heute Morgen, als ich mir das Frühstück zubereitete und es draussen zum ersten Mal nicht mehr nach Hochsommer ausschaute, kamen mir die Frühstücke meiner Kindheit in den Sinn. Dort, wo wir jeden Sommer nach der langen Warterei in Roma Termini mit dem Regionalzug weiterfuhren, ins Heimatdorf meines Vaters, südlich von Rom, nördlich von Neapel. Gleich nach der Ankunft, ging meine Mutter in den Dorfladen und kaufte die nötigsten Lebensmittel ein, darunter auch Milch, damit wir Mädchen am nächsten Morgen frühstücken konnten. Ich weiss noch, dass sie es jedes Jahr aufs Neue versuchte. Mich davon zu überzeugen, italienische Milch zu trinken. Und ich erinnere mich noch genau, wie ich mich Jahr für Jahr ein paar Ferientage lang in einen stillen und letztendlich erfolgreichen Widerstand begab. Ich war nie ein Milchkind gewesen. Es kostete mich auch in der Schweiz jeden Morgen einiges an Überwindung, die heisse Milch mit wenig Kakaopulver – meine Mutter hielt Kakaopulver für ungesund – zu trinken. In Italien aber, war für mich in keiner Weise an Milch trinken auch nur zu denken. Auch mit der doppelten Menge an Kakaopulver nicht. Die Milch roch einfach anders. Ich kann nicht genau sagen wonach. Vielleicht ein bisschen nach Käse, nach verdorben oder nach Plastik oder alles zusammen? Natürlich tat ich es kund und schob angewidert die Tasse von mir. Da meine Mutter von relativ ungeduldiger Natur ist, nahm sie sofort ein Glas zur Hand, schenkte sich energisch etwas Milch ein, roch daran, trank es in einem Zug leer und sagte, dass sie nichts Aussergewöhnliches an dieser Milch feststellen konnte. Dass sie genauso roch und schmeckte wie die Milch in der Schweiz und ich solle jetzt mal nicht so heikel tun. Schliesslich würden meine Schwester und alle anderen Dorfkinder diese Milch jeden Morgen auch trinken. Basta. Da argumentieren bei meiner Mutter nichts nützte, begab ich mich in einen stillen Widerstand, der am ersten Ferientag durchaus auch bis zur Mittagszeit dauern konnte. Ich sass einfach da, sagte nichts, trank aber auch meine Milch nicht. Am nächsten Tag versuchte sie es mit einer anderen Milchmarke. Die sei viel besser, auch teurer, aber das sei egal, Hauptsache ich würde meine tägliche Ration Milch trinken. Nichts zu machen. Ich rührte auch die teure italienische Milch nicht an. In der Zwischenzeit wirbelte meine Mutter um mich herum, machte die Betten, wischte den Boden, ging ins Badezimmer, duschte, zog sich an und erinnerte mich in regelmässigen Abständen daran, meine Milch endlich zu trinken. So ging es zwei, drei Tage lang. Nichts geschah. Ich konnte diese Milch einfach nicht trinken. Irgendwann, am Tag X, setzte sich mein Vater zu mir an den Tisch. Rührte lange und schweigend in seinem Espresso herum, trank ihn, schaute mich an und fragte, ob es denn wirklich so schlimm sei mit dieser Milch. «Ja, ist es», antwortete ich leise. Und dann sagte er, mehr beiläufig als direkt, zu meiner Mutter: «Weisst du, sie könnte ja morgens auch einfach einen Tee trinken.» «Kinder müssen Milch trinken», antwortete meine Mutter leicht gereizt. «Aber vier Ferienwochen lang keine Milch trinken, wird ja wohl keinen so grossen Schaden anrichten, meinst du nicht auch?» und zu mir gewandt fuhr mein Vater fort: «Du versprichst aber, dass du, wenn wir wieder in der Schweiz sind, jeden Morgen anstandslos deine Milch trinkst, nicht wahr?» Es kostete mich viel, aber ich versprach es. Ich war gerettet. Fortan bekam ich in den Sommerferien zum Frühstück einen kleinen Krug Tee, dazu eine Scheibe italienisches Weissbrot mit Marmelade – ohne Butter – die roch nämlich auch seltsam ...

Mittwoch, 21. August 2013

Mein Karma und das Tropenfieber


Da bin ich wieder. Daheim bzw. in der Schweiz, in Zürich, in meiner Wohnung. Der letzte Tag im Kamalaya, an dem ich alles zum letzten Mal tat, war schön. Dann aber, in der letzten Nacht, von Donnerstag auf Freitag, bekam ich Fieber. Zuerst dachte ich es sei einfach eine ungewöhnlich warme Tropennacht, bin am Morgen früh noch ins Yoga, zum Frühstück und dann runter zum Strand gegangen. Irgendwie musste ich aber schon etwas angeschlagen ausgesehen haben, denn der Liegestuhl wurde mir unaufgefordert unter einen grossen, schattigen Baum geschoben. Später schmeckte mir das Mittagessen zum ersten Mal nicht und als ich anschliessend meine Sachen zusammenpackte, hatte ich ein sehr fiebriges Gefühl. Also habe ich zur Sicherheit ein Dafalgan genommen und gleichzeitig ein paar davon ins Handgepäck verstaut.
Während des einstündigen Fluges von Koh Samui nach Bangkok war es eiskalt. Aber zum Glück gehöre ich nicht zu den Frauen, die aus warmen Urlaubsdestinationen im Minirock nach Hause fliegen müssen. In Bangkok dann ein paar Stunden Wartezeit für den Anschlussflieger. Nochmals eine Tablette, aber vorher am Nudelstand etwas essen, Shops anschauen, letzte SMS schreiben. Ich habe gebetet, dass mir im Flieger nicht schlecht wird. Hat genützt. Trotzdem, elf Stunden lang fiebrig zwischen Kabinenfenster und einem jungen Mann sitzen, der zwar sehr nett war, aber sich wegen seiner grossen Holzfällerstatur nur robotermässig vom Sitz erheben konnte, wenn ich mal aufstehen wollte, war alles andere als angenehm. Während des Fluges ist mir dann plötzlich das Denguefieber, das sogenannte Tropenfieber, eingefallen. Wird durch die asiatische Tigermücke übertragen, die nicht nur nacht- sondern leider auch tagaktiv ist. Und nein, ich habe mich nicht jeden Tag und jeden Abend konsequent mit Antibrumm eingesprüht ... Andererseits reise ich seit 13 Jahren nach Asien, war auch schon in Indien und auch schon in Gebieten, die als malariagefährdet gelten, hatte immer Malariaprophylaxe dabei. Nie ist etwas passiert. Sollte diesmal mein Karma etwas anderes mit mir vorhaben? Es liess mir keine Ruhe und so bin ich am Samstagnachmittag in die Permanence gegangen. Dort haben sie mir Blut genommen und zur Untersuchung in ein Labor geschickt. Ich habe ein Medikament gegen Schmerzen bekommen und die Aufgabe, mich bis Montag genauestens zu beobachten. Bei Fieberanstieg hätte ich mich sofort wieder zeigen müssen. Das Fieber blieb immer gleich. In der Nacht auf Montag kamen ein trockener Husten und ein Stechen in der Brust dazu. Natürlich habe ich im Internet alles Mögliche und Unmögliche zum Stichwort Tropenfieber recherchiert. Ich weiss jetzt ziemlich genau Bescheid. Das erste Mal verläuft es in der Regel harmlos und mit unspezifischen Symptomen. Wenn dich die Tigermücke aber ein zweites Mal erwischt und mit einem anderen Virus als beim ersten Mal infiziert (es gibt vier verschiedene Untergruppen), dann kann es kompliziert werden und auch tödlich enden. Also warten auf das Resultat. Die zwei Wochen Yoga und Meditation sind nicht spurlos an mir vorbei. Noch nie habe ich so gelassen und ruhig auf ein Resultat gewartet. Habe geduldig gewartet, was mein Karma mir mitteilen will. Die Blutprobe war unauffällig, sagte die Ärztin am Montagnachmittag. Das Denguefieber ist mit aller Wahrscheinlichkeit auszuschliessen. Tönt für eine, die sich hauptberuflich mit Sprache beschäftigt nicht ganz restrisikofrei. Aber da ist ja noch der Husten. Sie untersucht Brust und Lungen, hört und tastet ab. Sie schickt mich mit «entweder eine leichte Lungenentzündung oder Bronchitis» nochmals runter zur Blutentnahme. «Weisse Blutkörperchen sind soweit in Ordnung. Sie haben eine Bronchitis.» Danke, liebes Karma! Und so bin ich nach zwei Wochen Yoga und Meditation unverhofft zu einer weiteren Woche Ruhezeit gekommen. Fieber habe ich immer noch. Ich bin zu Hause, arbeite ein bisschen von da aus und bin dankbar, dass die anderen das Geschäft schmeissen. Zwischendurch kann ich meditieren, mir neue Asienreisen ausdenken ... Aber vor allem muss ich viel schlafen und meine Bronchitis auskurieren.

Donnerstag, 15. August 2013

Time to say goodbye

Heute mache ich alles zum letzten Mal. Morgen geht's wieder nach Bangkok und dann mit dem Nachtflug zurück nach Zürich. Ich wollte noch einen längeren Post über Hongkong Secondos und die Multikultur und deren Selbstverständlichkeit in Malaysia schreiben. Darüber habe ich mich nämlich ausführlich an der Community Table unterhalten. Doch mein Airbook streikt - hoffentlich nur vorübergehend - und via iPhone sind längere Posts etwas umständlich.
Ich hoffe, meine Einträge haben euch gefallen. Feedback dazu hab ich fast keines bekommen, aber ich sehe ja, dass sie gelesen werden ... So, wake up and say something! Life is too short to say nothing ... 

Mittwoch, 14. August 2013

Enjoying the sunset...

... over Kamalaya beach. Life is good.


My crazy dreams

Hat es mit Entspannung oder mit Anspannung zu tun? Wenn man die ganze Nacht einen wilden Mix von Ereignissen aus der Vergangenheit und realer Gegenwart träumt? Fühle mich wie durch den Fleischwolf gezogen. Ich geh jetzt zum Flow Yoga ... 

Montag, 12. August 2013

Eine Mango reift nicht über Nacht



Ich liebe diese asiatischen Sprüche. Tönt doch besser als: Eine Birne reift nicht über Nacht, oder? Alles braucht seine Zeit. Auch to be in the present moment. Es geht schon ein bisschen besser. Dazu beigetragen, haben simples Liegen und aufs blaue Meer starren. Ganz langsam auf dem Sandstrand auf und ab gehen. Nach schönen Muscheln Ausschau halten – wie ein Kind. Ein weiteres, entspanntes Gespräch mit Gottfried und seinem Hang. Viele Yogastunden. Viele Meditationen. Ein paar traditionelle Thai Massagen, in denen man sich 90 Minuten lang nur auf das Rauschen der Palmblätter, das Zwitschern der Vögel und den eigenen Atem konzentriert. Man legt sich hin, schliesst die Augen und begleitet in Gedanken die Hände, die mit geübten Bewegungen den Körper strecken, beugen, drücken und ziehen. Man spürt die Druckpunkte mal mehr, mal weniger stark. Einige befinden sich knapp vor der Schmerzgrenze und dann ist es von Vorteil, wenn man bei der Sache ist und in den Punkt hinein atmet, um die Verhärtung gemeinsam zu lösen.
Der tropische Regen hilft auch. Wie gerade vorhin. Er kündigt sich mit starkem Wind an und irgendwann beginnt es dann endlich zu regnen. Schwere, dicke Regentropfen fallen auf Bäume, Blätter und Blumen. Es prasselt und trommelt herab, ganz laut tönt das. Was ich am meisten liebe, ist die Stimmung danach. Die Luft ist feucht, schwer und warm. Die Vegetation dampft. Es duftet nach frischer Erde, nach Holz und dort wo ich gerade bin auch nach süssem Jasmin. Diese Düfte, diese Stimmung in sich aufsaugen, langsam und bewusst. Es ist gut, wenn ab und zu alles ganz langsam geschieht und geschehen darf. Wie eine Mango ... oder von mir aus auch eine Birne.

Donnerstag, 8. August 2013

Be in the present moment

Ich lese in einem Buch, da wacht jemand in Montmartre auf und schon springen meine Gedanken nach Paris. Da möchte ich wieder einmal hin. Am Freitag in den TGV steigen, am Sonntagabend zurück. Bloss vier Stunden pro Weg. Ja, das werde ich tun. Im Herbst, wenn es kühler wird. Ich blicke von meinem Buch auf. Vor mir das Meer, die Palmen, eine leichte Brise auf der Haut. Meine Knochen fühlen sich müde an. Dreimal Yoga zwischen gestern und heute war vielleicht etwas zu viel. Ich nippe an meinem Papayasaft und merke erst jetzt, dass ich eigentlich lesen wollte. Jemand wacht in Montmartre auf.
Das passiert mir oft. Dass ich abschweife, dass ich nicht in the present moment bin. Und dies, nach unzähligen Meditationsübungen immer noch. Mein Geist ist immer in Bewegung. Auch hier, an diesem Ort der Ruhe, der ideal wäre, um gerade das zu üben. Die Achtsamkeit des Moments. Mein Lunch kommt: Gemüsecurry mit weissem Reis. Ich versuche, jedes Gemüse einzeln zu benennen und die verschiedenen Gewürze im Curry auf der Zunge zu schmecken. Achtsamkeit beim Essen. Es geht ganz gut, bis zu dem Moment, in dem ich mich frage, ob es mir auch gelingen würde, die Gemüsestücke so knackig hinzubekommen. Und als nächstes überlege ich mir, wo man in Zürich so ein schmackhaftes Curry essen könnte. Meine Gedanken in Zürich springen zu einer Freundin, die nun schon eine ganze Weile im Spital liegt. Wie es ihr wohl geht? Ich versuche, aus den täglichen SMS-Kontakten so viel wie möglich herauszulesen. War es richtig, in den Urlaub zu fahren? Davor war ich fast jeden Tag bei ihr. Ich sehe mich von der Arbeit direkt in die Strassenbahn steigen und zu ihr fahren. Dann wandern die Gedanken weiter an meinen Schreibtisch und ich denke an all die Dinge, die noch bis Ende Jahr zu tun sind.
Jemand trägt meinen leeren Teller fort und ich merke erst jetzt, dass ich schon wieder nicht in der Gegenwart war. Doch genau hier, in dieser Gegenwart wollte ich sein. Darauf hatte ich mich gefreut. Zeit zu haben. Zeit für mich. Zeit ein Buch zu lesen. Aber es gelingt mir nicht. Ich stehe auf und gehe runter zum Strand. Dort starte ich einen weiteren Versuch.

Mittwoch, 7. August 2013

Das Hang und die Zeit



Das Hang (Plural: Hanghang) ist ein Musikinstrument. Es besteht aus zwei miteinander verklebten Halbkugelsegmenten aus Stahlblech. Auf der oberen Halbschale befinden sich Tonfelder, die mit Hämmern ins Blech eingearbeitet sind.

Gottfried spielt hier im Kamalaya auf Koh Samui jeden Tag Hang für uns. Hört zu und lasst euch ein paar Minuten lang in eine besondere Klangwelt tragen.


Gottfried spricht ein ziemlich spitzes Baseldeutsch. Vor über zwanzig Jahren hat er seiner Stadt am Rhein den Rücken gekehrt. Er zog durch die Welt und in Neuseeland schliesslich hat er eine Familie gegründet.
Hang, das ist Hand auf Berndeutsch, erklärt er mir, als ich mich zu ihm auf den Boden setze. Er lächelt mich aus freundlichen, tiefblauen Augen an.
Wie lange bist du da?
Zwei Wochen.
Zwei Wochen sind gut. Zwei Wochen sind nicht schlecht, sinniert er, da hast du ein bisschen Zeit für dich. Der Mensch braucht Zeit. Viel Zeit. Es ist unglaublich, wie viel Zeit der Mensch für sich selber braucht. Ich merke das erst, seit ich mich von meiner Frau getrennt habe. Nun habe ich sehr viel Zeit für mich und das tut mir gut. Ich reise durch Asien, ab und zu nach Europa, die Schweiz und nach Basel. Ich setze mich auf die Strassen und spiele für die Menschen, die keine Zeit haben. Immer ist der Mensch entweder in der Vergangenheit oder in der Zukunft. Aber nie in der Gegenwart. Schau dir die Natur hier an. Eine Blume zum Beispiel. Eine Blume ist immer in the present moment. Wenn es windet, wenn es regnet, wenn die Sonne scheint, immer. Und in dieser Gegenwart entfaltet sie sich zu ihrer einzigartigen Bestimmung und Schönheit.
Gottfried wechselt von seinem spitzen Baseldeutsch immer mal wieder gerne ins Englische. Und es stört überhaupt nicht.
Wir sind eigentlich nur Energie, fährt er fort. Du bist Energie, ich bin Energie, die Pflanzen sind Energie, das Meer, die Steine, alles. Du bisch part of it. Alles isch part of it.
Es gibt keine CD von Gottfried. Er verschenkt seine Musik auf den Strassen der Welt und wer ihm dafür etwas geben will, kann das tun.
Solltet ihr ihm eines Tages irgendwo auf einer Strasse begegnen, dann haltet einen Moment inne, hört ihm zu, setzt euch zu ihm auf den Boden und nehmt seine Energie auf. Er wird eure Energie aufnehmen, freundlich lächeln und euch vielleicht in ein Gespräch verwickeln, das über den üblichen Smalltalk hinausgeht. Für Smalltalk hat Gottfried keine Zeit.