Da bin ich wieder. Ich hatte mich
verloren. Monatelang surfte ich auf einer Welle. Wisst ihr wie man die Stelle
nennt, an der die Welle bricht? Nicht nur die Stelle tat weh. Alles tat weh. Einen
Wellenbrecher hatte ich nicht eingerichtet. Ich hielt es nicht für nötig.
«Da, bitte tippen Sie mein Manuskript ab.
Ich bezahle Sie dafür im Stundenlohn», sagte der alte Bänziger und streckte mir
ein dickes, handgeschriebenes Bündel
Papier entgegen. Der alte Bänziger, Leiter der SAL, an der ich mich vor über
zwei Jahrzehnten als Übersetzerin ausbilden liess, hatte ein Theaterstück
verfasst. Die Büchse der Pandora, so
der Titel. Eine zeitgenössische und ziemlich eigenwillige Umsetzung der
gleichnamigen griechischen Sage. «Arbeit ist das beste aller Heilmittel», fügte
er hinzu und blinzelte mir aus verschmitzten, blauen Augen aufmunternd zu,
bevor er wieder entschwand. Auch damals hatte ich mich verloren. Das Manuskript
rettete mich. Brachte mich wieder zurück. Ich weiss nicht mehr so genau wohin.
Aber immerhin zurück. Die Füsse auf dem Boden.
Als vor ein paar Wochen erneut eine
Welle über mich hereinbrach, gab es keinen alten Bänziger mehr, der mir ein
Manuskript zum Abtippen entgegenstreckte. Dafür kam ich irgendwann plötzlich auf
die Idee, mich selber zu googeln. Vielleicht würde ich mich da draussen auf dem
Netz finden. Ein paar Mausklicks später stiess ich tatsächlich auf mich. Eckdaten
über mich, alte Adressen, die meisten geschäftlich. Und dann dieser Artikel von
mir, den ich längst vergessen hatte. Ich öffnete den Link, las meinen Text und
staunte. Staunte darüber, dass alles noch stimmt. Dass ich heute, nach acht
Jahren, jeden Satz genauso wieder schreiben würde. Über das Foto von mir musste
ich allerdings lächeln. Heute würde ich mehr Zeit dafür aufwenden wollen.
Damals war ich so gestresst, dass es mir nichts ausmachte, mich unfrisiert und
ungeschminkt von meinen Bürokolleginnen schnell abknipsen zu lassen, weil die
auf der Redaktion noch in letzter Sekunde ein Foto brauchten.
Mein Artikel erschien 2005 im Bulletin
der Zürcher Frauenzentrale als Beitrag in der Serie Jung-Unternehmerin. Es ging um das Thema Integration. Mein Thema. Ihr
findet mich auf Seite 10. Dort habe auch ich mich wiedergefunden. Dort konnte
ich nach der Welle an das anknüpfen, was mir festen Boden unter den Füssen gibt.
Meine Herkunft, meine Geschichte, meine Arbeit, meine Identität.