Donnerstag, 6. Juni 2013

Wie ist es denn nun in der Heimat?


Der Gedanke eines Blogs über Heimat kam mir auf einer meiner Bahnreisen von Zürich nach Venezia-Mestre. Dort wo meine Freunde wohnen, dort wo Himmel und Wasser sich berühren. Dort wo das Licht auch im Winter hell ist und im Sommer sowieso. Dass ich mir vor vielen Jahren Freunde in, aus oder um Venedig wünschte und diese dann tatsächlich «gekommen» sind, das ist eine andere Geschichte ;)

Der Zug ab Mailand ist gut besetzt. Nein, nicht nur mit amerikanischen und japanischen Touristen, sondern auch mit Venezianern. Die spezielle Intonation wenn sie Italienisch reden, öffnet mein Herz. Ich könnte ihnen stundenlang zuhören. Egal, worüber sie reden. Wie zum Beispiel die drei Geschäftsleute neben mir, die gerade eine Marketingstrategie für ein neues Produkt miteinander besprechen. Venezianer reden nie laut und nie aufdringlich, es sei denn es handle sich um einen aufdringlichen Fischverkäufer am Markt von Rialto ... Venezianisch tönt für meine Ohren geschmeidig, rund, weich, sanft und immer konziliant auch wenn gerade das Gegenteil behauptet wird.

Venedig und das Festland rundherum sind für mich kleine Heimat in der grossen Heimat. Die grosse Ursprungsheimat auf Papier. Jedes Mal wenn sich der Zug von Mailand Richtung Veneto in Bewegung setzt, passiert etwas mit mir. Ich setze mich in diesen Zug, bin eine von vielen, falle nicht auf und werde automatisch auf Italienisch angesprochen. In Zürich werde ich an Kassen von grossen Supermärkten, auf der Post und am Bankschalter regelmässig auf Hochdeutsch angesprochen, was mich oft belustigt, manchmal aber auch befremdet und nicht wirklich zum Heimatgefühl meines Schweizer Passes beiträgt. Insbesondere dann nicht, wenn auf Hochdeutsch im Infinitiv mit mir gesprochen wird. Als Ausländerin kennt man sich ja mit konjugierten Verben nicht so gut aus ...

Hier, in diesem Zug, fällt das Gefühl von nicht wirklich dazugehören weg. Stattdessen breitet sich eine wunderbare «Unauffälligkeit» aus. Wenn man dem so sagen kann. Ruhe und innerer Frieden. Es ist alles in Ordnung – ich bin daheim. Und der Espresso, hier heisst er einfach Caffè, von Trenitalia schmeckt gut und wird in winzigen Bechern ausgeschenkt. Caffè ist eben caffè und nicht Espresso wie in der Schweiz.